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Autor Thema: Leben ohne Tavor?  (Gelesen 26545 mal)

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lost soul

  • Gast
Leben ohne Tavor?
« am: 25 September 2013, 20:50:47 »

Hallo,
seid meinem ersten Aufenthalt in der Psychatrie vor Jahren habe ich wg. der Schwere der Depression Trevilor dosiert bis 300mg und Tavor bekommen. Man hat mich auch mit Tavor entlassen und mir empfohlen es für eine Weile zu nehmen. Das war ein großer Fehler der Ärzte, denn wie man weiss macht es abhängig. Bei weiteren Klinikaufenthalt (min. 1 mal im Jahr) hat man es mir weiter gegeben und dann mit aller Macht versucht es abzusetzen, hat aber nicht funktioniert. Ich nehme es immer noch, da sich meine Krankheit noch verschlimmert hat und ich immensen Druck zu Hause habe (alleinerziehend mit 2 Kindern), Angstzustände und Borderline sind noch dazugekommen. Doch die Ärzte sagen es ist meine Schuld, und schreiben in allen Arztbriefen Tavor Abusus. Ich kämpfe nicht mehr dagegen, ich will nur meine Ruhe. Schaffe meinen Alltag sowieso nicht mehr ohne Tavor. Kann das jemand verstehen?
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Fee

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Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #1 am: 25 September 2013, 21:17:22 »

... ja ich.

Habe gerade Deinen Beitrag gelesen und möchte Dir "sagen", dass ich es unverschämt finde, Dir die Schuld in die Schuhe schieben zu wollen, dass Du nicht mehr vom Tavor weg kommst !

Ich habe als Pschiatriefachkrankenschwester und auch als Psychiatriepatientin reichlich Erfahrung mit Tavor gemacht.

Vor allem damit, wie leichtsinnig, von nicht wenig Ärzten, damit geradezu "rumgeworfen" wird. Ist ja auch das Einfachste.

Mir hat Tavor sehr gut geholfen und vor allem nebenwirkingsfrei. Nur als Patientin ohne Fachkenntnisse, ginge es mir jetzt so wie Dir und vielen anderen Menschen, die von Benzodiazepinen abhängig sind.


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Ina

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Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #2 am: 26 September 2013, 16:19:20 »

Hallo lost soul,

ja, ich verstehe das! Benzodiazepine wie Tavor machen leider wirklich schnell abhängig – die Erfahrung habe ich selbst machen müssen, zwar nicht mit Tavor (und auch nicht über Jahre), aber mit Diazepam (Valium). Ich habe es damals aufgrund von Panikattacken, Angstzuständen und starker innerer Unruhe verschrieben bekommen. Nach einigen Wochen oder Monaten habe ich es allerdings nicht mehr wegen des beruhigenden Effekts genommen: Aufgrund einer Toleranzentwicklung (weil ich es auch über einen längeren Zeitraum immer wieder verschrieben bekam) musste ich die Dosis nach einiger Zeit immer wieder erhöhen, um dieselbe Wirkung wie am Anfang zu erzielen. Irgendwann habe ich dann festgestellt, dass mich das Medikament regelrecht "high" macht, wenn ich sehr viel bzw. deutlich mehr als "nötig" davon nehme. Ich fühlte mich meinem Leben damals nicht gewachsen, habe es nicht geschafft, mich meinen Problemen zu stellen und war zwar schon seit Jahren in therapeutischer Behandlung, aber noch nicht bereit, mich mit meiner Vergangenheit konfrontieren zu lassen und wirklich intensiv damit auseinanderzusetzen. Es war ein unerträglicher Zustand, der sich mehr und mehr verschlimmerte, und ich wollte nur noch vor meinen Gefühlen, Gedanken und Erinnerungen fliehen – und ausgerechnet dann machte ich meine Erfahrungen mit Diazepam. Ich fühlte mich durch das Medikament geradezu befreit, da meine Ängste und Depressionen während des "Rauschs" nicht mehr so präsent waren und ich endlich wieder lachen und mich entspannen konnte. Diesen Zustand wollte ich natürlich wieder und wieder erleben, sodass ich es irgendwann nicht mehr sein lassen konnte / wollte. Es war eine Flucht – und zwar in die Sucht! Leider bin ich sowieso sehr anfällig, was Süchte betrifft. Als mir die Tabletten kein Arzt mehr verschreiben wollte, habe ich sie mir "auf anderem Wege" besorgt – war es anfangs doch nur als Bedarfsmedikament gedacht, entwickelte sich daraus ein Medikamentenmissbrauch und meine tägliche Dosis lag bei 60 - 80mg.

Anfang 2010 habe ich mich dazu entschlossen, in der Klinik einen Entzug zu machen. Es war eine ganz schlimme Erfahrung für mich und obwohl ich danach nochmal rückfällig wurde und auch heute immer wieder mal Suchtdruck habe, bin ich glücklich darüber, inzwischen seit drei Jahren frei von Diazepam zu sein. Das Thema Sucht / Abhängigkeit ist trotzdem immer wieder ein ganz zentraler Punkt in meinem Leben, aber ich schaffe es, zu widerstehen. Denn seitdem ich mich nicht mehr in "andere Welten" flüchte, hat sich meine Lebensqualität spürbar verbessert! Während meiner aktiven Sucht hätte ich das für absurd gehalten... Der Entzug war zwar eine Qual, die Sucht aber ebenso!


Was Deine Ärzte angeht: Natürlich ist es absolut unverantwortlich, dass man Dir das Medikament über einen so langen Zeitraum verschrieben hat – eigentlich darf das nicht sein. Im Grunde genommen ist es jetzt aber sinnlos, sich gegenseitig die "Schuld" für die entstandene Abhängigkeit zuzuweisen – dadurch löst sich das Problem schließlich auch nicht. Viel wichtiger ist doch, dass Du endlich wieder vom Tavor loskommst und lernst, auch ohne die Tabletten zurecht zu kommen. Während der aktiven Sucht ist man wohl immer davon überzeugt, dass es ohne nicht mehr geht. Ein Leben ohne das Medikament wird unvorstellbar.

Natürlich weiß ich nicht, wie weit die Abhängigkeit bei Dir geht und wie sie sich zeigt. Nimmst Du Tavor, um langfristig gesehen jeden Tag einigermaßen zu überstehen und weil es einfach "normal" geworden ist, so wie man ein Antidepressivum eben auch täglich einnimmt? Oder geht es Dir um die Einnahme als solches, weil Du einfach "Lust drauf" hast und meinst, dieses Bedürfnis unbedingt stillen zu müssen, weil Du sonst durchdrehst? Oder anders gefragt: Missbrauchst Du das Medikament und nimmst höhere Dosen als "nötig", um Dich damit "high" zu machen bzw. Deine Wahrnehmung zu verändern, weil Du Deinen Zustand sonst kaum erträgst? Was passiert, wenn Du es nicht nimmst? Hast Du neben körperlichen Entzugserscheinungen auch psychische? Bekommst Du Suchtdruck? Und allgemein auf Deine Situation bezogen: Hat sich durch den Tavor-Konsum etwas in Deinem Leben verändert?

Ich stelle Dir diese Fragen nicht ohne Grund. Eher möchte ich, dass Du Dir mit der Beantwortung dieser Fragen selbst vor Augen führst, dass es das Ganze sehr wohl wert ist, dagegen anzukämpfen! Bei mir war es damals so, dass ich durch die Tabletten das Gefühl hatte, "frei" zu sein. Mit der Zeit wurde mir allerdings mehr und mehr bewusst, dass es letzen Endes doch nichts mehr als eine Gefangenschaft war! Ja, ich habe mich in der Sucht gefangen gefühlt: Meine Gedanken drehten sich ständig um Diazepam und alles, was die Abhängigkeit mit sich bringt, z.B. wie ich schnellstmöglich wieder an neues komme, damit ich immer etwas da habe (ich weiß, bei Dir ist es anders, da Du es ja verschrieben bekommst). Teilweise richtete ich meinen gesamten Tagesablauf darauf aus. Es ging so weit, dass ich manchmal Verabredungen abgesagt habe, weil es mir wichtiger war, meine Sucht befriedigen zu können. Den Stellenwert, den ich dem Ganzen beigemessen habe, hatten früher die Dinge, die mich glücklich gemacht haben und über die ich mich wirklich freuen konnte (so eben auch Freundschaften, welche ich durch die Sucht dann aber vernachlässigt habe). Ich war davon überzeugt, dieses Medikament zu brauchen – allein der Gedanke daran, es irgendwann vielleicht nicht mehr zu bekommen, hat mir Angst gemacht.


Mein Leben aktiv in eine andere Richtung zu lenken, indem ich Veränderungen geschaffen, mich mit meinen Schwierigkeiten auseinander gesetzt und nach Lösungen gesucht habe, war mir erst möglich, als es nicht mehr von der Sucht bestimmt war. Ich weiß, wie schwierig es ist und dass man eventuell auch mehrere Anläufe braucht, um sich davon frei machen zu können, aber glaub mir: Es lohnt sich! Ich glaube nicht, dass man sein Leben wieder auf die Reihe kriegt, wenn man sich seiner Sucht ergibt, sondern indem man kämpft und sie besiegt, auch wenn es natürlich nicht von jetzt auch gleich so einfach funktioniert. Man selbst sollte es sich wert sein, aber das habe ich auch erst später verstanden. Übrigens hat es nach den Entzügen auch noch eine Weile gedauert, bis mir bewusst wurde, dass es ein viel besseres Gefühl ist, seine Probleme mit "klarem Kopf" in Angriff zu nehmen und irgendwann auch zu lösen, weil man an innerer Stärke, Willenskraft und Durchhaltevermögen gewonnen hat. Selbst wenn es einen manchmal an den Rand der Verzweiflung treibt und man glaubt, keine Kraft mehr zu haben! Letzten Endes steht man nämlich doch wieder auf und beweist sich damit, dass man sich selbst unterschätzt hat und sein Leben mit der Zeit doch in den Griff bekommen kann – und dass man dies vielleicht schon viel früher hätte schaffen können, hätte man sich eher von der Sucht verabschiedet.

Damit möchte ich nicht sagen, dass ich es falsch finde, in akuten Belastungssituationen und -phasen Bedarfsmedikamente einzunehmen – das habe ich in den letzten Jahren selbst auch immer wieder gebraucht! Genauso bin ich der Meinung, dass es nichts Verwerfliches ist, Antidepressiva über einen langen Zeitraum einzunehmen – warum auch, wenn es doch hilft? Wenn man aber wirklich etwas verändern möchte, muss man dafür nebenbei aber auch selbst etwas tun – Tabletten allein bringen niemanden weiter und lösen keine Probleme. Was ich damit ausdrücken möchte ist, dass man nicht versuchen sollte, sich auf seiner Sucht "auszuruhen" und sich irgendwie mit ihr zu arrangieren, weil es "ja doch nicht ohne geht". Natürlich ist man davon überzeugt, wenn man schon seit Jahren auf diesem Stand ist. Aber wenn man sich diesem Zustand unterwirft, nimmt man sich selbst damit die Chance, wieder EIGENE Kraft zu entwickeln und sein Leben positiver zu gestalten und seinen persönlichen Vorstellungen und Wünschen anzupassen.

Wahrscheinlich kann ich das alles nur sagen, weil ich es zwar selbst erlebt, aber bereits HINTER mir habe. Dennoch verstehe ich Deine hoffnungslosen Gedanken, lost soul!

Jetzt habe ich Dir hauptsächlich von meinen eigenen Erfahrungen erzählt, aber vielleicht findest Du Dich in einigen Dingen wieder und betrachtest das Thema einmal von einer anderen Seite. Auch wenn ich vermute, dass unsere "Geschichten" wohl nur im Ansatz miteinander vergleichbar sind und sich die "Form" der Sucht deutlich voneinander unterscheidet, da ich die Medikamente ab einem gewissen Zeitpunkt bewusst missbraucht habe. Bei Dir hingegen scheint es eher so zu sein, dass Du die Tabletten nicht deshalb immer noch nimmst, weil Du sie missbrauchen möchtest, sondern weil sich durch die jahrelange Einnahme eine körperliche Abhängigkeit entwickelt hat und Du Dich aufgrund Deiner Erfahrung und des Wissens, wie furchtbar ein Benzo-Entzug ist, von einem solchen abhalten lässt. Und da Du sowieso meinst, Dein Leben sei nur mit Tavor zu ertragen (das ist dann die psychische Abhängigkeit), akzeptierst Du es so und hast auch gar keine Lust mehr, es ohne zu versuchen. Weil es doch schließlich schon jahrelang so läuft und da Du "nur Deine Ruhe willst", ist es inzwischen ja auch völlig "egal". So, als würdest Du es nehmen wie ein "ganz normales" Antidepressivum, welches man natürlich auch ungern absetzen würde, wenn es hilft und man sich dadurch besser fühlt. Also gehst Du einfach davon aus, dass Du ohne die Tabletten ganz sicher nicht "weitergehen" kannst, da DU SELBST schon mal GAR NICHTS dafür tun kannst, dass es Dir besser geht. Ich habe mich jetzt bewusst ein bisschen provokant und überspitzt ausgedrückt, denn ich glaube, so wird deutlich, worauf ich eigentlich hinaus will. Ich hoffe, Du fühlst Dich durch meine Worte nicht angegriffen – es ist nicht meine Absicht, Dich zu verletzen oder Dir etwas zu unterstellen und behaupte auch nicht, dass das alles richtig ist – und schon gar nicht will ich damit sagen: "Selbst Schuld"! Es sind nur Vermutungen, Interpretationen und Einschätzungen – mein erster Eindruck, meine ersten Gedanken zu Deinem Beitrag.

Es klingt, als würdest Du Dich aufgeben und Dir selbst nicht wichtig genug sein, um Kraft FÜR DICH aufzuwenden – Kraft, die Dir irgendwann aber wahrscheinlich die Möglichkeit geben würde, Dein Leben wieder mit "richtigem" Leben füllen zu können. Es ist einfach traurig, sich in einer solchen Situation zu befinden, aber gar nicht mehr daraus befreien zu wollen und so hoffnungslos ist, dass man lieber alles beim Alten lässt statt zu kämpfen.

Ich wünsche Dir, dass Du den entscheidenen Schritt irgendwann gehen kannst und neue Kraft findest – und zwar in Dir selbst!


Liebe Grüße

Ina
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alleinundeinsam

  • Gast
Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #3 am: 26 September 2013, 16:46:21 »

Ich habe zwar keine Erfahrung mit Tavor, nehme aber schon seit gut drei Jahren Venlafaxin. Bekomme ich einfach immer wieder verschrieben.
Jetzt habe ich für mich stopp gesagt!
Ich habe die Dosis stark reduziert, also von 150mg auf 37,5 mg.
Und auch ich habe gewisse Erscheinungen (Zaps, Schwindel...) die mir zeigen, daß eine gewisse Abhängigkeit besteht.
Aber ich zieh das jetzt durch. Ich will im Oktober auf NULL runter sein.
Das habe ich dann auch meinem Engel zu verdanken!
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alleinundeinsam

  • Gast
Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #4 am: 26 September 2013, 17:10:23 »

Hab ich grad gefunden, vielleicht intr. es jemanden!
Venlafaxin ist ein Arzneistoff, der in der Behandlung von Depressionen und Angsterkrankungen verwendet wird. Chemisch handelt es sich um ein Phenylethylamin-Derivat, das als selektiver Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer (SSNRI) seine Wirkung im Zentralnervensystem entfaltet.
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Ina

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Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #5 am: 28 September 2013, 03:37:12 »

@ alleinundeinsam:

Ich habe zwar keine Erfahrung mit Tavor, nehme aber schon seit gut drei Jahren Venlafaxin. Bekomme ich einfach immer wieder verschrieben.

Venlafaxin (Trevilor) ist ein Antidepressivum, Tavor hingegen ein Benzodiazepin. Das sind zwei unterschiedliche Wirkstoffklassen und allein deshalb schon nicht zu vergleichen! Benzodiazepine sollten nicht länger als ca. vier Wochen am Stück eingenommen werden, da sie ein hohes Abhängigkeitspotential haben. Tavor eignet sich somit nicht als dauerhafte Medikation, sondern wird als Bedarfsmedikament eingesetzt, z.B. zur kurzzeitigen / vorübergehenden Behandlung von Schlafstörungen, starker innerer Unruhe, Panikattacken und akuten Belastungssituationen. Leider sind einige Ärzte aber so verantwortungslos und verschreiben Benzodiazepine über Monate oder sogar – so wie bei lost soul – über Jahre.

Im Gegensatz zu Benzodiazepinen dauert es bei Antidepressiva meist mehrere Wochen bis eine Wirkung eintritt; bis zur vollen Wirkungsentfaltung vergehen in der Regel nochmal ca. zwei Wochen. Deshalb bekommst Du Venlafaxin über einen längeren Zeitaum verschrieben und solltest es auch regelmäßig, also täglich, einnehmen. Würdest Du es nur sporadisch nehmen, z.B. wenn es Dir besonders schlecht geht und dann mal wieder eine Woche gar nicht, hätte es gar nicht die Chance, seine Wirkung vernünftig zu entfalten und Dich dauerhaft zu stabilisieren. Die antidepressive oder angstlösende Wirkung entsteht nicht durch eine einmalige Einnahme. Von daher ist es schon richtig, dass Du es langfristig verschrieben bekommst – alles andere hätte keinen Sinn.


Zitat von: alleinundeinsam
Jetzt habe ich für mich stopp gesagt!
Ich habe die Dosis stark reduziert, also von 150mg auf 37,5 mg.
[...]
Ich will im Oktober auf NULL runter sein.

Davon kann ich Dir nur abraten! Antidepressiva sollten vernünftig ausgeschlichen, also Schritt für Schritt reduziert werden und das am besten auch nicht innerhalb weniger Tage. Gerade Venlafaxin ist dafür bekannt, dass es beim Absetzen zu einer Vielzahl von Symptomen kommen kann. Dies hängt von der Dosis und der Dauer der Einnahme ab, kann aber auch von Mensch zu Mensch unterschiedlich sein: Ein Freund von mir hatte über Wochen große Schwierigkeiten mit dem Absetzen, obwohl er es nach ärztlicher Anweisung getan hat – ich hingegen habe das Ausschleichen nicht als besonders schlimm empfunden. Wir waren beide auf der Höchstdosis (375mg täglich). Von daher empfehle ich Dir wirklich, es nicht ohne ärztlichen Rat abzusetzen, vor allen Dingen nicht so schnell. Das gilt auch für alle anderen Antidepressiva!


Zitat von: alleinundeinsam
Und auch ich habe gewisse Erscheinungen (Zaps, Schwindel...) die mir zeigen, daß eine gewisse Abhängigkeit besteht.

Nein, als Abhängigkeit kann man das nicht bezeichnen. Antidepressiva machen nicht abhängig! Die Symptome ähneln zwar denen eines Entzuges, deuten im Umkehrschluss aber nicht automatisch auf eine Abhängigkeit hin: Bei Antidepressiva spricht man daher eher von Absetzerscheinungen / -symptomen – häufig wird auch der Begriff Absetzsyndrom verwendet. Beim Entzug von abhängigkeitserzeugenden Medikamenten (ebenso wie bei Alkohol und Drogen wie Kokain, MDMA oder Heroin) treten neben körperlichen Entzugserscheinungen meistens auch psychische auf.

Ich hatte in den vergangenen Jahren sowohl Absetzsymptome beim Ausschleichen von verschiedenen Antidepressiva als auch Entzugserscheinungen durch das Absetzen psychotroper Substanzen, von denen ich physisch und psychisch abhängig war – daher ist mir der Unterschied aus eigener Erfahrung bekannt.
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Fee

  • Gast
Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #6 am: 29 September 2013, 18:00:43 »

Hallo lost soul,


vllt. ist es ja eine gute Möglichkeit für Dich, die Tavor 1,0 mg Tabletten langsam auszuschleichen und dabei mit Tavor 1,0 Expidet Täfelchen, nur bei Bedarf "über die Runden zu kommen", wenn's ganz ohne erstmal nicht geht. Sie zergehen augenblicklich im Mund und die Wirkung tritt über die Mundschleimhaut schnell ein.

Wenn Du damit klar kommst, brauchst Du i.wann die Tavor 1,0 mg Tabletten gar nicht mehr und die Tavor 1,0 Expidet Täfelchen nur noch bei Bedarf und dann später auch diese nicht mehr.

So bin ich nach 6 Monaten Klinikaufenthalt, in denen ich über meine Medikamenteneinnahme nicht mitreden konnte, vom Tavor wieder weg gekommen.

Heutzutage habe ich die Tavor 1,0 Expidet Täfelchen, nur noch für die "Angst vor der Angst" immer bei mir und mache nur seeeeeeeeeeeeehhhhr selten davon Gebrauch.

Kannst ja mal mit Deinem Arzt drüber reden und dann berichten, wenn Du möchtest.


Alles Gute wünscht Dir Fee
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Silberblick

  • Gast
Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #7 am: 01 Oktober 2013, 11:20:47 »

Liebe Lost Soul,

da mein Mann als Schmerzpatient extrem viel Erfahrung mit Benzos hat, kann ich Dir nur raten - d. h., falls Du dich dazu entschließen solltest, einen Entzug zu machen - einen Arzt, der sich auch mit Benzo-Entzug auskennt zu kontaktieren und ihm Deine Situation zu schildern. Bloß nichts alleine ohne ärztlicher Aufsicht versuchen, denn Benzo-Entzüge können lebensbedrohlich sein.

Auch für Deine Situation - alleinerziehende Mutter - wird es ambulante Möglichkeiten geben, wenn der Arzt ein ordentlicher ist.
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Silberblick

  • Gast
Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #8 am: 01 Oktober 2013, 11:22:12 »

Nachtrag: Ich wünsche Dir ganz viel Kraft, Mut und Geduld für Dein Vorhaben ... und ich bin mir sicher, Deine Lebensqualität wird sich nach dem Entzug enorm steigern.

LG

Silberblick
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lost soul

  • Gast
Leben ohne Tavor (re)Erstmal vielen lieben Dank
« Antwort #9 am: 17 Oktober 2013, 13:45:40 »

Erstmal vielen lieben Dank für all die Unterstützung und Tipps von Euch. Sorry habe lange nicht zurückgeschrieben, der ständige
Kampf mit dieser Krankheit hat mich unfähig gemacht mich mitzuteilen.

 Ich benutze Tavor nicht dafür, um "high" davon zu werden. Vielmehr ist es so, das bei meinen Klinikaufenthalten alles an Medikamenten ausprobiert wurde, damit es mir besser geht. Ich habe auch Entzüge hinter mir. die an meiner Kraft und meinen Nerven gezehrt haben. Im geschützten Klinikbereich ist ja alles gut und schön, die Realität hier draussen ist aber eine ganz andere.

 Krank und alleinerziehend zu sein,erfordert eine tägliche enorme Kraft. Ich war auch schon ohne Tavor und habe vor lauter Überforderung derart krasse Angstzustände bekommen,das sich mein Körper total verkrampft hat, genauso wie bei einem epileptischen Anfall. Ich wurde min. 3 mal vom Krankenwagen abgeholt und mit Diazepam (Elefantendosis) intravenös ruhiggestellt.

 Ich könnte mir Hilfe vom Jugendamt holen, aber wisst ihr mit denen lege ich mich erst gar nicht an. Ausserdem bin ich des Kämpfens müde geworden und einen auf Versuchskaninchen, in der sowieso schon total überforderten Offenbacher Psychatrie zu machen habe ich einfach keine Kraft mehr. Ich lebe lieber in Ruhe mit meinen Kindern und gebe das Beste, um ihnen eine sorgenfreie und liebevolle Kindheit zu bieten, die ich nicht hatte.

 Und wenn Ihr mir vielleicht eine Psychotherapie empfehlen wollt, das habe ich schon hinter mir und es war sehr schmerzhaft enttäuschend. Die erste Psychologin war sehr nett, sagte aber,das sie mir nicht helfen könne, da ich eine Verhaltenstherapie brauche. Als ich dann endlich einen Platz bekam, sagte mir die Verhaltenstherapeutin, die übrigens eine schreckliche Person war (als Beispiel ging sie während der Sitzung ständig ans Telefon),sagte ich soll in eine Psychosomatische Klinik. Nach ewigem suchen und warten auf einen freien Platz,teilte mir die Klinik mit,das ich mit Tavor keine Chancen auf einen Aufenthalt hätte. Und wohin auch mit den Kindern während dieser Zeit?

 Also alles wieder da, wo ich angefangen habe. Ich kann nicht mehr und bin des Leidens satt. Im Moment nehme ich ein Antidepressivum und ein Neuroleptikum,welche auch nicht ohne Nebenwirkungen sind, vorallem das erstgenannte. Tavor ist ohne Nebenwirkungen und hilft mir gut über den Tag. Das es süchtig macht ist für mich, nachdem was ich Euch alles oben geschrieben habe unwichtig geworden.

In unser immer kranker werdenden Gesellschaft ist jeder von irgendwas irgendwie abhängig, weil der Mensch es einfach nicht mehr schafft, dem Druck und den Erwartungen gerecht zu werden. Leider sehe ich auch immer mehr junge Patienten in der Psychatrie oder ehemalige Anwälte,Ärzte Kindergärtnerinnen und Geschäftsleute. Ein Bekannter von mir hatte kürzlich einen Herzinfarkt im Alter von 37 wegen totaler,täglicher 14-stündiger Arbeitstage (er ist Ingenieur). Er hat es überlebt, man merkt ihm aber an, das er total überfordert ist mit sich und seinem Leben. Einsam ist er auch, keine Zeit für andere Dinge! Er sagt,das er wahrscheinlich bald in die Psychatrie muss.


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Angst2013

  • Gast
Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #10 am: 22 November 2013, 11:00:33 »

Hallo!

Habe Deinen Beitrag gelesen und mich deshalb spontan hier im Portal angemeldet.

Mir geht es genauso wie Dir. Habe nun schon einige Monate hinter mir, in der es mir so schlecht ging, wie noch nie zuvor in meinem Leben. Bin auch in eine Situation geraten, in der ich mir immer wieder einrede, dass ich funktionieren muss, egal wie. Richtige Freude in meinem Leben oder sowas wie Entspannung kommt so gut wie gar nicht mehr vor.

In den letzten Wochen musste ich dann auch wieder die Erfahrung machen, dass normale AD's oder NL's bei mir keine richtige Wirkung erzielen, bzw. heftigste Nebenwirkungen verursachen. Das einzige, was bei mir einigermaßen ohne Nebenwirkungen funktioniert und mir die teilweise unerträgliche, lähmende Angst nimmt, ist eben Tavor.

Ich nehme es momentan seit einem halben Jahr in einer Dosierung von derzeit 3 x 0,5 mg pro Tag und mittlerweile ist es mir auch egal, ob ich es weiterhin nehmen muss oder nicht. Dann bin ich eben abhängig davon, aber wenigstens bin ich dazu in der Lage, wenigstens die nötigsten Dinge in meinem Leben auf die Reihe zu bekommen. Ich bin jetzt 43 und dass ich mal in aller Normalität ein Alter von 60 oder darüber erreiche, kann ich mir mittlerweile sowieso nicht mehr vorstellen und das ist auch nicht mehr erstrebenswert für mich. Lieber noch ein paar Jahre in einer halbwegs stabilen Lage und einem somit in Ansätzen würdigen Leben als pausenlos nur vor Angst halb durchzudrehen und sich ständig in die Psychiatrie begeben zu müssen, wo man einem mit den angebotenen Therapien auch nicht wirklich weiterhelfen kann.

Ich entnehme Deinem Beitrag, dass Du wohl aus Offenbach oder der näheren Umgebung kommst. Ich selber komme aus Frankfurt. Da ist die Situation auch nicht viel besser. Die Uniklinik ist eine Katastrophe in der Hinsicht. Und ich denke, für manche Erkrankungen oder Lebenssituationen, die so extrem sind, gibt es einfach keine andere Therapie als eben diese Art von Medikamenten zu nehmen.

Ich habe in meinem Leben nie irgendwelche Drogenerfahrungen gemacht und auch von Alkohol immer die Finger gelassen. Sollte es nun eben notwendig sein, dass ich von Medikamenten abhängig bin, die mich am Leben lassen, so soll es eben so sein. Das nehme ich dann gerne in Kauf und solange ich das Gefühl habe, mit einer stabilen Dosis über die Runden zu kommen, gehe ich lieber diesen Weg, als weiter mit irgendwelchen AD's herumzuexperimentieren, die dann krasse Absetzerscheinungen haben, wenn sie ansonsten nichts bringen oder Neuroleptika, die ebenfalls krasse Spätfolgen und Nebenwirkungen haben.

Wenn Du Dich in der Lage sehen solltest, Dich mit mir auszutauschen, können wir das gerne tun.
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limited edition

  • Gast
Re: Leben ohne Tavor?
« Antwort #11 am: 24 November 2013, 23:19:04 »

Hallo lost soul!

Ich möchte Dir zu einem Punkt etwas schreiben, zu dem Leben mit Tavor kann ich Dir nichts raten.
Wann immer es bei Ärzten darum geht, wie das entstand, würde ich es so schildern, wie es war. Und, falls erforderlich, dazu sagen, wenn es um die Arztberichte offenbar geht, dass Dir bekannt ist, dass es da so geschildert wird.
Ich weiss aus meinem Leben, dass häufiger versucht wird, zu vermeiden, dass da eine Verantwortung von Ärzten nicht wahrgenommen wurde. Das kann einen ärgern, man kann aber auch damit umgehen.

Ich wünsche Dir alles Gute und dass Du auf Dauer von Tavor loskommst. Ich bekam es mal in der Ambulanz jeweils einzeln, auch mal eine halbe Tablette in einem Briefchen. Nie eine ganze Packung oder auch nur einen Streifen, und da ich um die Bedeutung von Sucht in dem Zusammenhang wusste, war das okay für mich.

Ich weiss, dass man manchmal den Umschwung nicht zu schaffen glaubt, ohne etwas zu leben, das einem zumindest für den Moment einmal lebenserhaltend scheint. Das braucht Zeit.

Vielleicht hilft da, das Bewusstsein zu entwickeln, dass Dein Körper und Deine Seele es vor allem sind, die es schaffen. Das können sie auch ohne das Mittel. Wann der richtige Zeitpunkt dafür ist, das weiss man manchmal nicht. Aber die Erkenntnis kommt.

Liebe Grüsse,

limited edition
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