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Autor Thema: Adieu, Achim.  (Gelesen 3182 mal)

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Freudestrahlend

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Adieu, Achim.
« am: 03 August 2014, 11:59:26 »

Jetzt bist du also tot. Totgesoffen. Ich bin nicht überrascht davon. Nur davon, wie sehr es mich mitnimmt. Ich wollte dich noch mal vorher treffen und habe mich dann doch dagegen entschieden. Das war auch richtig so. Ich verdanke dir so viel und ich wollte dir gerne diese Dankbarkeit noch zeigen. Aber du hättest es wieder nur in deiner arroganten Art genommen und das wollte ich mir ersparen. Und ich wollte dich nicht als das Wrack sehen, das du am Ende warst, das war nicht der Mensch, den ich kannte.

Es fühlt sich an, als wäre ein Teil von mir nun weg. Ich weiß noch nicht genau, ob ich das gut oder schlecht finde.

Du warst mein bester Freund. Du warst mir Inspiration und Möglichkeit. Du hast mich bestätigt und gedemütigt. Du hast an mich geglaubt und Zweifel gehabt. Du hast mich gefördert und betrogen. Du warst mein Helfer in der Not, der mir zur Rettung einen Seil aus Stacheldraht hingeworfen hat. Du hast hier im Kiez Geschichte geschrieben, im Besten wie im Miesesten. Du warst eine großartige Fassade, die ein armseliges Ambiente im Inneren verbarg.

Ohne dich hätte ich meine eigene Hochzeit verpasst.
Ohne dich hätte ich niemals diesen Mut gehabt, etwas so Großes wie das TM zu machen.
Ohne dich wäre ich nicht so schnell aus der Grube gekommen.
Ohne dich wäre ich jetzt nicht die Person, die ich bin und dafür danke ich dir.

Es gibt vieles, was ich bedaure, doch hier soll nur das eine Platz finden: Du hast mir den besten Rat meines Lebens gegeben und hast ihn selber nicht befolgt. Deshalb bist du jetzt tot und ich lebe noch. Ich bin wirklich sehr traurig.
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Alana

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Re: Adieu, Achim.
« Antwort #1 am: 03 August 2014, 12:49:45 »

Freude, bitte fühl Dich gedrückt.

Es ist schwer, manchmal die Entscheidungen anderer einfach annehmen zu müssen. Ich kämpfe seit über 3 Jahren damit. Aber manchen kann man, so gerne man es wöllte, einfach nicht helfen.

Du bist nicht allein. Und ich hoffe, Du weißt, dass Du Dich immer an meine Schulter anlehnen kannst.

Alana
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Freudestrahlend

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Re: Adieu, Achim.
« Antwort #2 am: 03 August 2014, 13:07:37 »

Ich danke dir, Alana.
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Epines

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Re: Adieu, Achim.
« Antwort #3 am: 03 August 2014, 19:33:12 »

Liebe Freude

Herzliche Anteilnahme!
Mit dem Tod eines besten Freundes stirbt leider immer auch ein Teil von uns mit, ob wir wollen oder nicht und dies ist nun mal doppelt so schmerzhaft.

Man kann sich nur damit trösten, dass man das Glück hatte so einem Menschen begegnet zu sein, vergessen wird man ihn nie, er wird immer einen Platz in unserem Herzen haben.

Ich selbst tue mich ganz schwer damit jemanden wirklich los zu lassen und somit erhalte ich manchmal die Trauer und den Schmerz viel länger aufrecht als man sollte. Ich wünsche dir, dass es dir anders geht und du bald darüber hinweg kommst.

Erinnere dich an sein Lachen und seine scheinbar ruppige Art und an die ganz besondere Freundschaft die ihr hattet.

Fühle dich lieb umarmt
Epines

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Freudestrahlend

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Re: Adieu, Achim.
« Antwort #4 am: 04 August 2014, 16:41:10 »

Liebe Epines,
du sprichst mir aus der Seele. Ich traure nicht um den Menschen, der jetzt gestorben ist. Das ist alles richtig so. Und ich erinnere mich an die schrecklichschöne Zeit mit ihm, schaue Fotos an, spreche mit Menschen, die dabei waren. Die Erinnerungen wühlen etwas auf und jetzt schaue ich mal, was da kommt und dann verabschiede mich in Ruhe.

Danke für deine Anteilnahme.
Gruß, Freude
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Freudestrahlend

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Re: Adieu, Achim.
« Antwort #5 am: 24 März 2015, 23:57:54 »

Es war schön, heute mit deinem Ziehsohn über dich zu sprechen. Das Bild klärt sich immer weiter. Am Ende ging es mir so viel besser als vorher und ich habe bei jeder Erwähnung eines Toten oder total Heruntergekommenen immer nur gesagt: "Daran gemessen geht es mir doch prima." Ich habe schon lange nicht mehr so viel gelacht wie heute.
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Freudestrahlend

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Re: Tote und sterbende Trinker_innen *ev. Trigger*
« Antwort #6 am: 06 April 2015, 01:35:44 »

Es ist schon krude: Wir haben alle dort zusammen gearbeitet, zusammen am Tresen gesessen und wir haben alle getrunken. Und alle, die nicht aufgehört haben zu trinken, sind jetzt entweder schon tot oder schwer krank.

Kiste, Achims Bruder, du warst Ende der 90er der Erste: ins Zuckerkoma gefallen in einem Bett voller Flachmänner. Dann kamst du, Tequila: Zuckerkoma, weil du zu betrunken warst, noch Insulin zu spritzen. Als nächstes warst du dran, Ulli, aufgefunden im Keller unter der Kneipe, wo du schon monatelang wohntest, weil du längst deine Wohnung verloren hattest - und keiner hat es gemerkt. Frank, dein Herz blieb stehen, mit nicht einmal 40. Schlitzer-Micha, dein Putzfräsenverleih musste ohne dich auskommen, nachdem du an Bauchspeicheldrüsenkrebs gestorben warst. Und du Fred, dein Kehlkopf war es, der den Rauch und den Schnaps übelgenommen hat und anfing zu wuchern, bis du tot warst. Und du Harry hast es selber in die Hand genommen, als du alles verloren hattest. Maler-Micha, woran du gestorben bist mit 41 - keine Ahnung, aber ich würde mich wundern, wenn es Altersschwäche war. Und im letzten August nun du, Achim.

Und auf der Beerdigung habe ich einige gesehen, die noch immer auf dem Weg sind. Barri-U., aufgedunsen und betrunken. Die ganze Taxifahrerriege, mit zitternden Händen und grauer Haut. W., der sich anlässlich deines Todes so die Kante gegeben hat, dass er jetzt wieder in der geschlossenen Abteilung der Psychiatrie sitzt. P.F., der 30 Jahre älter aussieht. Deine Exfrau, die sich kaum auf den Beinen halten kann, mit geschwollenen Beinen und kaputten Gelenken, auseinandergegangen durch Medikamente, die sie mit Bier herunterspült...und ich habe die nicht gesehen, die gar nicht mehr kommen konnten: Der Spüler H. und seine Freundin U., alle beide Betreuungsfälle, Kühl-A., der das Haus nicht mehr verlässt und all die Leute, die wir nicht mehr erreichen konnten (so wie R. und E., die sich mit ihren Gamma-GT-Werten über 600 immer gegenseitig ausstechen wollten) - womöglich sind da noch einige dabei, die gar nicht mehr leben.

Wahrscheinlich war ich damals diejenige mit der schlechtesten Prognose. Warum bin ich jetzt die, die vom Weg abgebogen ist und auf die damals so coolen und überlegenen Kerle schaut und sich fragt, wie das geschehen konnte?

Natürlich wusste ich, dass der Alkohol eine Gesundheitgefährdung darstellt. Aber ich hatte kein Bild. Und jetzt, wo ich so viele Bilder habe, bin ich verwundert, wie viele von uns trotzdem einfach weitergemacht haben als wäre es nicht wahr. Dass die Leute wirklich daran sterben.
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