@nubis
weil der kaffe nun schon auf dem tisch steht erlaube mir eine kurze sektion deines gedankenguts. auch wenn meine schreibe dies nicht immer vermuten lässt, wünschte ich mir, dass du folgendes mit etwas persönlichem abstand betrachten und annehmen könntest. es geht eigentlich nicht um dich; du bist lediglich teil übergeordneter kräfte. eine liebevoll und möglicherweise weiterführend umflossene stromschnelle.
du eröffnest: "Auch ich sehe die 'zunehmende schaar "verzweifelter" menschen' als einen evolutionären Prozess, jedoch eher im negativen Sinne." - du implementierst ja, das ich diesen prozess positiv bewerten würde. dass ist natürlich absurd. aber halten wir fest "...jedoch eher im negativen Sinne."
"Wenn man die Menschheitsgeschichte anschaut, kann man nicht behaupten, dass es unseren Vorfahren 'gut' ging - dort herrschten noch ein wenig andere Sitten, unter deren Verhältnisse kaum einer heute leben möchte, den romantisch verträumten 'früher-war-alles-besser-Gedanken' zum Trotz." - ich behaupte, dass das wohlergehen unserer vorfahren aus unserer warte so nicht beurteilt werden kann. denn es steht immer in direktem kontext zum jeweilgen entwicklungs- wissensstand des individuums und kann so auch nur aus dieser warte beurteilt und gewertet werden. davon abgesehen und ganz allgemein gehalten, ging es dem menschen schon immer gut und es wird ihm auch immer gut gehen. weil er eben ein mensch und somit in der lage ist, sich sein glück auch unter dir unvorstellbaren bedingungen zu bewahren. - aber darum geht es dir und hier ja nicht. du nimmst lediglich meine zuvor ins feld geführte relativierung meiner tendenziellen einschätzung dieses forums auf.
"Dass Depressionen heute zunehmen, dürfte wohl eher daran liegen, dass wir es uns leisten können - und zum anderen daran, dass die genetische Disposition eher weitervererbt wird als anno dazumal." - hier stützt du dich zum teil auf dein vorgängiges konstrukt und fährst damit natürlich voll gegen die wand. erst ging es also früher allen schlecht, aus deiner sicht und du möchtest so nicht leben, aber nun nehmen depressionen plötzlich zu, weil wir es uns leisten können? paradox? schon etwas, weil gemäss deiner logik hätte es früher ja mehr depressionen geben müssen. ergo auch mehr vererbte anlagen zu depressionen.
auch wenn die these und es ist nach wie vor eine these, richtig sein sollte, dass die anlagen zu depressionen vererbbar sind, darf dies sicherlich nicht in dieser form und prioritär, wie du das machst, ins feld geführt werden. denn sie bricht aus, als reaktion und im kontext zum jeweiligen verhalten und umfeld des erkrankten: und das ist keine these.
"Gleichzeitig gibt es weniger Familienverbände und Freundschaften, die die Menschen in schwierigen Situationen auffangen - so das man statt dessen einen Therapeuten aufsucht." - nun nähern wir uns wieder etwas der realität. bez. den ganz natürlichen und überlebenswichtigen bedürfnissen des menschen. ich habe dies zuvor als "asoziale gegebenheiten unserer" zeit umschrieben. trotzdem gehen wir von fundamental anderen ansätzen aus. denn aus meiner sicht ist es eben gerade der wohlstand, bez. die, bereits von mehreren generationen voll verinnerlichte, individualismus-lüge der werbeindustrie; befeuert und einhergehend mit der staatlich propagierten, auf struktureller inkompetenz basierender und jegliches sozial veranlagte wesen überfordernde, selbst- und allmachts-verantwortungs-lüge des einzelnen, die es dem individuum überhaubt erst ermöglicht, ja zwingt, sich so lange der kompensation von zwischenmenschlicher interaktion zu widmen, bis die weichen zur depressiven erkrankungen regelrecht gestellt sind. hier also könnte man sagen; wir leisten und die depression.
auch die rolle des therapeuten hat in diesem zusammenhang hier nichts verloren. denn du implementierst ja, dass die zunahme von depressionen in korrelation stehen würd zur anzahl vorhandener therapeuten. auch wenn man dass so öfters mal höhrt; dass ist barer unsinn. die krankheit wird allenfalls eher diagnosziert. mehr oder weniger kranke gibt es deswegen noch lange nicht.
"Mit 'Leuchttürmen' hat das Ganze meiner Ansicht nach herzlich wenig zu tun, zumal eine Depression jeden treffen kann und eben nicht an gesellschaftlichen Schranken oder individuellen Fähigkeiten fest gemacht werden kann." - nun also langsam aber sicher wieder zu den leuchttürmen unserer zeit. doch halten wir noch kurz fest, dass du dir und der realität erneut wiedersprichst. zuvor lag die zunahme von depressionen noch an "...weniger Familienverbände und Freundschaften" und nun haben gesellschaftliche schranken und individuelle fähigkeiten bereits wieder nichts mehr damit zu tun. jetzt stellt sich natürlich auch die frage was du unter "individuelle fähigkeiten" verstehst, bez. was du darüber bis anhin lernen konntest. aber ganz offenbar verbuchst du die fundamentale fähigkeit beziehungen einzugehen, sie zu halten und zu pflegen nicht unter fähigkeiten ab.
wie kannst du, der, wenn es rethorisch passt und durchaus zu recht, zwar mangelnde "Familienverbände und Freundschaften" ins feld führt als eine facette der zunahme von depressionen, ausser acht lassen, dass dies eine fähigkeit ist, die man erlernen muss? und wenn man sie erlernen muss, dann hängt das ausbrechen einer depression auch von den individuellen fähigkeiten ab. sozialkompetenz ist nicht gottgegeben. sie muss und wird von kindsbeinen an erlernt und bis ins hohe alter geschult. es sei denn, man ist eben nicht mehr auf seinen nachbarn angewisen; es sei denn, man kann es sich leisten als solist mangelnde zwischenmenschliche kontakte wie auch immer zu kompensieren; es sei denn, eine gesellschaft hört einfach auf dies als fähigkleit wahrzunehmen, zu fördern und zu schätzen, weil ihr ach so wichtiger wohlstand und seine wirtschaft längst auf derartigen kompensationshandlungen basiert; es sei denn vom individuum wir nicht menschlichkeit; sondern göttlichkeit erwartet. - google mal nach simonie und du wirst erkennen in welches zeitalter uns die abkömmlinge der nachkriegsjahre geführt haben und du wirst auch den zusammenhang zwischen gesellschaftlichen schranken und der zunahme von depressionen erkennen.
die wahren leuchttürme unserer zeit also. - solltest du tatsächlich die zeit investiert haben um wenigtens zu versuchen mit meinen augen zu sehen, dann so glaube und hoffe ich, wirst du verstehen, dass vieles was heute unter psychische erkrankungen läuft, wertvolle signale für die assozialen, der natur des menschen niemals mehr gerecht werdenden gesellschaftlichen werten und den sich daraus ableitenden erwartungen und forderungen an den einzelnen darstellen. und dies erhebt den "jammernden" zum leuchtturm. denn er leidet noch unter all diesen gegebenheiten. provokativ könnte man sogar soweit gehen und sagen; er ist noch gesund. lass ihnen raum; von ihnen kannst nicht nur du sehr viel lernen.
du hast die menschheitsgeschichte bemüht um deine überlegungen zu untermauern, ich teile sie nicht, das ist das eine, aber du müsstest angesichts dieser geschichte erkennen, dass es schon immer die wie und warum auch immer leidenden waren, die bestehendes in die knie zwangen und nicht diejenigen die sich an ihnen reiben, zufrieden sind, verharren und bewahren wollen. und so wird sich nun der kreis schliessen mit den wenigen worten aus deiner hand die ich teilen kann. sie waren es die mich veranlassten mir die zeit für diese darlegung zu nehmen. lassen sie doch vermuten, dass du fern jeglicher sterne und der, über die jahre verinnerlichten und bis zur selbstverlegnung vertreter rolle hier im forum, ja eigentlich für das gute einstehen und nicht einfach nur bestehendes erhalten möchtest.
"...jedoch eher im negativen Sinne."