Hallo Pudel,
ich weiß, wie Du es gemeint hast.
Es tut mir auch sehr leid, wenn ich da etwas schroff rüberkam.
Das Problem ist nur, ich weiß es theoretisch ja auch, daß Therapeuten oder Ärzte so ein Elend öfter mitbekommen
und dies nicht an der Person selbst festmachen.
Ich bin ja selber im Gesundheitswesen tätig gewesen und habe viele, für Patienten peinliche Situationen miterlebt, mit ihnen zusammen durchgestanden
und ihnen dabei geholfen.
Auch indem ich mich vollkommen neutral, empathisch und verständnisvoll ihnen gegenüber verhalten habe.
In solchen Momenten habe ich mir immer vorgestellt, wie ich mich wohl in deren Situation gerade fühlen würde.
Wegen meiner einfühlsamen und verständnisvollen Art wurde ich von vielen Patienten sehr geschätzt.
Doch ist für mich etwas ganz anderes, jetzt mit voller Härte selber in einer solchen beschämenden Situation zu stecken
und mich nicht mehr daraus befreien zu können.
Und dieses Gefühl der Scham, die ich jetzt gegenüber meinem Therapeuten so heftig verspüre, ist so unglaublich groß,
daß ich den Kontakt zu ihm wohl abbrechen werde.
Wie soll ich diese Scham jemals wieder ablegen, bzw. überwinden können?
Wenn ich bei einer solchen Situation schon so heftig empfinde, wie soll ich dann jemals über meine traumatischen Erfahrungen sprechen können,
um diese in der Therapie verarbeiten zu können?
Meine jetzige Situation ist nur die Spitze des Eisbergs, nur das Resultat von all dem, was ich bisher erleiden musste.
Und da gibt es eben leider noch viele peinliche und beschämende Ereignisse (Traumata) die mich zu dem gemacht haben,
was jetzt von mir noch übrig geblieben ist.
Ich bin deshalb auch schon dabei, meinem Therapeuten einen letzten Brief zu schreiben.
Ich möchte auch nicht, daß er sich irgendwie schuldig fühlt. Denn das ist er keinesfalls.
Er hat bisher immer alles richtig gemacht und war immer sehr einfühlsam und verständnisvoll.
Ich werde diesen Brief auch nicht wie sonst per Email schicken, sondern in seinen Briefkasten einwerfen.
Ich möchte daß er seinen Urlaub nicht an mich denken muss, sondern diesen wie jeder andere normale Mensch ohne Belastung
mit seiner Familie genießen kann und sich nicht Sorgen um mich macht.
Das Problem bin ich in dem Fall selber.
Ich habe keine Kraft mehr und kann keine Hilfe an mich heranlassen, ohne das ich mich dabei selber verurteile.
Aber wenn ich eben auch keine Ziele mehr habe, für die es sich noch lohnen könnte...
woher soll die Kraft und Hoffnung dann noch kommen?
Ich bin es eben auch nicht anders gewohnt, als alles immer mit mir selber auszumachen.
Auch habe ich von Kleinkind an immer eingetrichtert bekommen, den Schein nach außen zu wahren und nie über Probleme zu reden.
Auch habe ich nie Hilfe von meinen Eltern bekommen, wo ich sie am dringendsten gebraucht hätte.
Stattdessen wurde ich oft nicht mal wahrgenommen, oder im schlimmsten Fall sogar noch verurteilt
und bekam Vorwürfe, ich solle mich nicht so anstellen.
Und wenn ich mich hilfesuchend nach außen gewannt hatte, erwischte ich leider die falschen Menschen,
die anstatt mir zu helfen, noch zusätzlich traumatische Erlebnisse drauf gesetzt haben.
Somit schwingt auch automatisch die Angst immer mit, wenn sich mir gegenüber jemand wohlwollend und helfend verhält,
daß dies irgendwann eben kippt und mir wieder Schaden zugefügt wird.
Ich bin jetzt 47 und alle Ziele oder Wünsche die ich mal hatte, sind mit meinem Alter einfach utopisch und unerfüllbar geworden.
Ich habe keine eigene Familie, keine Freunde, einfach niemanden, dem es auffallen würde wenn es mich mal nicht mehr gibt.
Es wird dann einfach so sein, als hätte ich nie existiert.
Wenn mir jetzt hier in meiner Wohnung etwas passieren würde, würde es wahrscheinlich erst auffallen,
wenn die Maden unter der Türe hervorkriechen.
Ich möchte unter diesen Umständen auch ehrlich nicht mal alt werden.
Jedes weitere Jahr bedeutet für mich nur weiteres Leiden ohne Ziele.
Ich kann auch nur sehr schlecht diese Einsamkeit ertragen, aber mich wird auch keiner in meinem Zustand ertragen können.
Ich werde somit auch nie wieder die Nähe, oder auch Liebe eines Menschen bekommen können.
Was ist das dann noch für ein Leben?
Und jetzt nähert sich auch schon wieder der Jahrestag (Demians Todestag), mit dem mein Leben seinen letzten Sinn verloren hat.
Das Jobcenter hat mir heute auch eine Email geschrieben, daß wenn ich die fehlenden Unterlagen nicht umgehend einreiche,
sie mir die Leistung wieder streichen werden.
Doch ich schaffe dies einfach nicht.
Meine Welt bricht immer weiter zusammen und es ist kein Ende in Sicht.
L.G. Tobe