Nur Ruhe - Selbsthilfeportal über Depressionen und Selbstmord

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Autor Thema: 7jahre danach  (Gelesen 21907 mal)

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mixery(Guest)

  • Gast
7jahre danach
« am: 09 August 2009, 19:09:52 »

Der 1.Dezember 2002 , ich werde gegen 8.30 wach . Auf meinem Handy eine Sms von Marina „ Du bist die beste Mama der Welt . Nicht du hast versagt , sondern ich .“ Instinktiv antworte ich , frage sie was das soll, warum sie mir so eine komische Nachricht schreibt . Ich schlafe noch mal ein . Etwa eine Stunde später werde ich wieder wach und schaue sofort auf mein Handy ... nichts. Okay dachte ich erst mal sammeln und einen Kaffee trinken, dann lese ich noch mal ihre Sms und sehe das sie diese schon morgens um halb acht gesendet hat .Um mich zu beruhigen redete ich mir ein , das sie bestimmt die halbe Nacht mit Freunden feiern war und sicher auch was getrunken hat , denn dann ist sie öfter so seltsam drauf . sicher schläft sie jetzt , ich werde sie später anrufen .Also tu ich das was jeden Vormittag tu und fahre dann zur Arbeit. Doch meine unruhe wächst und ich versuche sie mehrmals anzurufen , aber sie geht nicht ans Telefon. So verging der Tag und ich spürte ganz deutlich , das etwas nicht stimmte ... und dann abends 19.30 kam ich aus der Pause . Da war ein Anruf auf meinem Handy ... von Marina. Mann war ich froh und rief gleich zurück. Es war ein Mann am anderen ende , er sagte er sei von der Kripo Zürich und er versuchte mir zu erklären das sich Marina das Leben genommen hat. Ich verstand nicht und konnte es nicht glauben was er da sagte . Doch er redete auf mich ein und meinte ich solle so bald wie möglich nach Zürich kommen .Ich fragte ihn nur wie... und er antwortete sie hat sich in ihrer Dusche erhängt . Ich hatte keine Worte mehr legte auf und war wie versteinert und gelähmt . So saß ich einige Zeit unfähig etwas zu tun..Ich komme in Zürich an , es empfängt mich ein netter Mann . Er sei ein Betreuer der Kripo sagte er und er würde mich die ganze Zeit begleiten.  
Wir betreten den Flur in der Ecke ein Paar Stühle , da sitzt ein Mädchen und es weint bitterlich. Als sie mich sieht steht sie auf und umarmt mich. Sie hat Marina gefunden , sie war ihre beste Freundin. Marina hatte mir oft von ihr erzählt . Sie begleitete mich die ganze Zeit über und ich war froh sie bei mir zu haben, denn die vielen Behördengänge waren der Horror. Einen Totenschein unterzeichnen und dann noch dafür bezahlen zu müssen , ist sehr hart . Irgendwie haben wir das alles geschafft .
Der zweite Tag war ein Trauma, denn wir fuhren ins Krematorium . Es führten unzählige Stufen dort hinauf , der Weg erschien mir endlos . Ich betrat einen Raum mit weiß gekalkten Wänden ,er war riesig . Dort stand ein einfacher Sarg , eher eine Kiste in der meine Marina lag . Alles in mir brach zusammen . Mach die Augen auf und lass uns nach Hause fahren , schrie ich .Unfassbar war das alles und das ist es heute noch 6 Jahre danach . Wir fuhren in ein Beerdigungsunternehmen , dort mussten wir einen Sarg  aussuchen eine furchtbar quälende Situation . Dort wollte man natürlich auch gleich alles bezahlt haben , doch woher sollte ich so viel Geld nehmen . Eine Überführung von der Schweiz nach Deutschland ist mit unzähligen Sicherheitsauflagen verbunden , die eine menge Geld kosten . Doch das war mir egal , ich konnte doch mein Kind nicht einfach dort lassen . Also begann ich zu betteln das man mir die Möglichkeit der Ratenzahlung gewährt , doch das wäre unmöglich meinte die nette Dame die mir gegenüber saß . Und dann geschah etwas so herzliches in diesem ganzen furchtbaren Chaos. Der Vater von Marinas bester Freundin sagte auf einmal das er alles erst mal bezahlt , er fand diese Diskussion über Geld in diesem Falle so schlimm, das er dem sofort ein Ende setzen wollte . Er gab mir ganz unbürokratisch die Möglichkeit einer Ratenzahlung . Ich bin ihm so dankbar . Solche Menschen findet man so selten auf dieser Welt .Als ich zu Hause war begann der ganze Behördenkram von vorne , denn ich musste Marinas Beerdigung organisieren , was ich auch so ziemlich alleine tat . Marinas Vater hielt sich zurück und das hat sich bis Heute nicht geändert .Der 13.12.2002 – Meine Marina wurde beerdigt –ein schlimmer Tag . Sie lag in ihrem Sarg und sie sah so schön aus- für mich war sie in diesem Moment die schönste und sie ist es heute noch .





Liebe marina

Heute möchte ich dir einen brief schreiben und dir erzählen wie es mir geht . du bist nun schon seit fast 7 jahren nicht mehr hier und du fehlst uns allen sehr.die letzten jahre waren ein auf und ab der gefühle. Die trauer ist so unendlich und will nicht vergehen... alles fühlt sich so an als sei es gestern erst passiert. Ich hoffe das es dir gut geht da wo du jetzt bist, das du glücklich bist und liebe menschen um dich herum hast. Ich hab in den letzten jahren gelernt mit der trauer zu leben zu akzeptieren das du nicht mehr da bist. Aber ich will ehrlich sein es ist verdammt schwer .Doch mach dir keine sorgen ich komme zurecht. Sven geht es auch gut er hat viel geschafft in den letzten jahren und ich bin mächtig stolz auf ihn. Wir sind inzwischen ein richtig gutes team. Er vermisst dich auch sehr und wir reden oft über dich. Aber er lebt inzwischen sein leben und das ist gut so.Ich möchte dir erzählen das ich ganz liebe menschen kennengelernt habe in diesem jahr. Die meisten kenne ich nicht real sondern nur von einem chat den ich gefunden habe und das mir diese menschen so sehr geholfen haben nicht aufzugeben. Sven versteht das nicht aber das ist nicht schlimm er akzeptiert es aber weil es mir gut tut. Du würdest es sicher verstehen das ich mir diesen weg gesucht habe ...stimmts? es hilft mir wirklich sehr mit den leuten hier zu reden und manche haben ähnliches erlebt wie ich. Es macht mir bewusst das ich nicht allein bin auf dieser welt.und ich möchte dir erzählen das ich hier auch mein lächeln wieder gefunden habe... im nächsten brief

In liebe deine mama
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Ina

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Re: 7jahre danach
« Antwort #1 am: 09 August 2009, 19:18:07 »

Liebe Mixery,

Mir stehen die Tränen in den Augen. Was Du da erleben musstest,
muss wahnsinnig hart gewesen sein und ist es sicher auch immer noch.
Ich habe noch nie jemanden durch Suizid verloren, aber ich stelle es
mir so furchtbar vor, seine eigene Tochter durch Selbstmord zu verlieren.
Es tut mir so leid, solch traurige, rührende und gefühlvolle Zeilen hier
lesen zu müssen!

Ich wünsche Dir ganz viel Kraft!
Du kannst stolz auf Dich sein, wie Du inzwischen mit der Situation um-
gehst und dass Du gelernt hast, zu akzeptieren wie es jetzt ist.


Ganz ganz liebe Grüße an Dich,
Ina
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Wolke

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #2 am: 09 August 2009, 19:23:45 »

danke, mixery, dass du diese zeilen mit uns teilst.
das war bestimmt nicht leicht, dieser schritt.
auch 7 jahre danach fühlt sich der schmerz vermutlich unendlich tief und lang an, immer wieder.
und doch scheinen vielleicht ab und an ein paar sonnenstrahlen durch ihn hindurch.
und das dürfen sie auch - fang sie ein!
sei stolz auf dich:
du lebst und du liebst - trotz dieser schlimmen erfahrung.
und das ist wahnsinnig viel.
Wolke
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mixery(Guest)

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #3 am: 09 August 2009, 19:35:59 »

liebe ina... liebe wolke

danke für eure netten aufbauenden zeilen.
es war nicht einfach das aufzuschreiben , aber es hat mir sehr geholfen . es fällt mir nicht leicht mal stolz auf mich zu sein aber es wird immer besser nicht zu letzt wegen der lieben menschen die ich hier kennenlernen durfte... danke
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mixery(Guest)

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #4 am: 10 August 2009, 19:16:46 »

Hallo meine kleine

Heute möchte ich meinen Brief fortsetzen und dir erzählen wie ich mein lächeln wiedergefunden habe...hier. Es gibt hier zwei ganz liebe menschen die immer da sind wenn ich sie brauche ... die mir mut zu sprechen... die einfach für mich da sind wenn das grosse schwarze loch mich hinunter ziehen will. Ich bin so froh sie zu kennen. Ich bin mir sicher das du die beiden auch mögen würdest.
Ich war heute an deinem grab und hab dir frische blumen gebracht ... ich hoffe sie gefallen dir und ich hab neu gepflanzt...als ich damit anfing begann es in strömen zu regnen und da ich ja sowieso schon nass bis auf die haut war bin ich noch länger dageblieben ... hab mich auf die bank gesetzt und den regen genossen...keine angst mich hat sicher niemand gesehen ich war mit sicherheit alleine auf dem friedhof bei dem wetter...lächel.
Ich wollte dir noch von larissa erzählen ... und dich fragen ob ihr euch schon getroffen habt... sie wollte dich von mir ganz doll drücken. Sie ist ein liebes mädel ... ein kleiner wirbelwind und ich bin mir sicher ihr werdet viel spass miteinander haben. Ihre mama ist seit zwei tagen im chat eine nette frau und sehr traurig zur zeit. Ich hoffe wir können ihr ein wenig helfen mit der trauer zu leben so wie ich es tu.ich geb dir einen dicken kuss

In liebe deine mama

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Adrenalinpur

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #5 am: 10 August 2009, 19:25:44 »

Arme Mixery :-( da fehlen mir die Worte

dich mal vorsichtig drücke wenn ich darf
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Friedrich_ohne_K

  • Gast
7jahre danach
« Antwort #6 am: 10 August 2009, 19:34:12 »

klimper -klimper.........


.........................ich bin aber sprachlos, einfach stumm .........................

muss das erst alles verarbeiten liebe Mixi - ich weine .............................

du bist so eine tolle Frau .............ich wusste nichts davon .....................

du hast es mir bestimmt erzählt ...........................aber ich dölbel .........

lass mich ausweinen .............................dann werde ich wieder da sein !

Du bist einfach eine wunderbare Frau ..................................................
« Letzte Änderung: 10 August 2009, 19:35:53 von Friedrich_ohne_K »
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mixery(Guest)

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #7 am: 10 August 2009, 19:51:36 »

danke adrenalinpur....ich drück dich lieb zurück
ich bin auf einem guten weg

und friedel auch mal drücken
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Wolke

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #8 am: 10 August 2009, 20:37:13 »

*hand reich*
vielleicht braucht es manchmal gar nicht mehr.
du bist auf einem guten weg.
Wolke
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mixery(Guest)

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #9 am: 13 August 2009, 19:15:52 »

                                              Hallo kleine maus

Ich hoffe es geht die gut ... ich vermisse dich so sehr. Letzte nacht war schlimm für mich , das kommt einfach und lässt mich dann nicht mehr zur ruhe kommen. So viele fragen und so viele schreckliche bilder in meinem kopf. Warum hast du das getan und warum hast du nichts gesagt und warum hab ich es nicht gespürt das es dir so schlecht ging ? hätte ich dich irgendwie retten können , hättest du es vielleicht nicht getan wenn ich dich rechtzeitig angerufen hätte? Bereust du das du es getan hast? Und so gibt es noch viele fragen auf die ich einfach keine antwort finde . und dann holt mich die gewissheit ein das selbst die antworten dich nicht zurückbringen werden.... das haut mich jedes mal um . und jedes mal steh ich wieder auf und mache weiter was bleibt mir auch anderes übrig... lächel. Keine angst ich gebe nicht auf dafür hab ich zu lang gekämpft ... wir werden uns sicher wiedersehen ... nur wird es noch dauern ... ich weiss du wirst auf mich warten ... also kann ich mir zeit nehmen.
Habe deine gedichtesammlung aufgehoben und hab sie mehrmals gelesen ... es sind sehr schöne und auch traurige gedichte und geschichten darin ... dieses hier hat mich sehr berührt.

                               Es gibt momente
Es gibt momente, da lebe ich einfach nur so vor mich hin
Ich tue dinge, ohne zu wissen wofür.
Ich lache obwohl ich traurig bin.
Ich bin auf der suche nach halt und finde nichts.
Ich möchte frei sein , laufen, alles hinter mich lassen.
Aber ich bin gefangen im hier und jetzt .
Es gibt momente, da bin ich allein, obwohl um mich herum viele menschen sind.
Ich sehe aus dem fenster , meine stimmung hat die farbe der wolken: trostlos und grau.
Doch dann sehe ich auf und entdecke einen sonnenstrahl....

Ich liebe dich
Deine mama
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lutz111

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Re: 7jahre danach
« Antwort #10 am: 15 August 2009, 21:58:53 »

ich wünsch Dir alles gute.
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... die Zeit heilt nicht.
Sie lässt die Wunde halb verschlossen.
Bereit, sich neu zu öffnen, und dann spürst du
Schmerz, so tief wie in der ersten Stunde.

Elizabeth Jennings

michaela(Guest)

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #11 am: 23 August 2009, 01:20:14 »

liebe mixery,
ich weine, ich bin tief getroffen, und ich verstehe jede zeile deiner briefe. jedes wort deiner trauer ist mir bekannt. und ich weiß, dass es nichts gibt, das ich sagen könnte um den schmerz zu lindern. ich kann dir nur versichern, ich weiß wie es ist. du bist nicht allein. ich erlebe wie es ist. stunde für stunde. tag für tag. und es ist verdammt hart und es braucht so viel mut, sich diesem schmerz zu stellen und einfach weiter zu atmen. nicht aufzuhören. weiter .. gegen den sog .. gegen das loch .. mit dem schmerz .. ja gerade wegen des schmerzes . atmen ..
du erwähnst meine tochter ... sie hat dich sehr lieb gehabt. das hat sie mir gesagt, bevor die leukämie siegte.
und wenn es einen himmel gibt .. ein leben danach .. dann wird jetzt neben deiner marina meine larissa sitzen und sie werden lächeln.
liebe mixery .. ich drücke dich ..
michaela
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Friedrich_ohne_K

  • Gast
7jahre danach
« Antwort #12 am: 23 August 2009, 07:51:24 »

liebe Michaela,
liebe Mixi,

entschuldige wenn ich jetzt hier schreibe liebe Mixi aber ich lese da gerade Michaela und ihre
Trauer um ihre Tochter und hoffe nicht dass ich durch mein schreiben dich oder euch beide störe !

liebe Michaela,

ich drück dich mal ganz feste wenn ich das darf denn auch ich trauer sehr um deine liebe Larissa
die bei uns im chat unter dem Nick Igelchen immer so lieb zu allen hier war und ich bin untröstlich
als ich diese Nachricht hörte dass sie so krank war und letztendlich daran starb.

sie hat es mir gegenüber nie erwähnt und ich glaube keiner ausser Mixi wusste um ihre Krankheit
und ich weis wie Schmerzlich das gerade für eine Mutter sein muss ihr geliebtes Kind zu verlieren.

Ich bin sehr auch in Trauer und will dir nur sagen dürfen dass ich deinen schmerz verstehe und
wir alle um sie trauern und dich gerne hier aufnehmen in unserer kleinen Gemeinschaft um trost
zu finden und um deinen Schmerz auch zu verarbeiten.

Ich weis das ihr beide da sehr darunter leidet und ich bin trotzdem dankbar das ich so eine nette
und liebe wie unsere Mixilein hier bei uns ist und wenn ich so lese haben sich ja beide auch gut
verstanden und bin auch hier untröstlich.

Zwei junge Menschen haben uns verlassen aus ganz verschiedenen Gründen -lasst uns zu einander
stehen damit wir die jungen Leute die hier sind und oft verzweifelt sind aber auch ohne Hoffnung
sind beistehen ihnen zu helfen und ihnen einfach nur beizustehen.

Wir sind nicht allmächtig und was geschieht liegt nicht in unserer Hand !

Wir können nur den jungen Menschen hier beistehen und ihnen versuchen einen anderen Weg zu zeigen
das mache ich gerne ich will mich da gerne einbringen -aber letztendlich ist es kein Versagen von uns
oder von euch beiden -vielleicht ein wenig von der gesellschaft die ruppide oft zu unseren Kindern ist.

Ich kenne leider nur eine -aber es schmerzt mich immer wenn ich von beiden lese !

Ich habe selbst Kinder und weis was das bedeutet und kann dir liebe Michaela nur ein paar tröstende
Worte des Beileids schenken, die wunde ist noch zu groß was ich verstehen kann aber öffne dein Herz
und schreib uns was dir am Herzen liegt -oder versuch vielleicht wenn du kannst deinen schmerz mit
Worten zu lindern die du hier mit Mixi schreiben willst.

liebe grüße an dich liebe Michaela
liebe grüße an dich liebe Mixi

Ich bin so froh dass ich euch kenne auch wenn die Umstände dazu es mir überhaupt keinen
anlass dazu geben euer Friedrich aus dem wunderschönen Ort Groß Gerau bei Frankfurt
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Wolke

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #13 am: 23 August 2009, 18:33:55 »

ich klinke mich gerade auch mal ein... ganz leise... ganz kurz...

ich habe viel gesprochen mit deiner tochter, michaela...
wir haben zusammen nachgedacht, über das leben und das sterben, das gesund- und das kranksein, das gehen und das bleiben.
sie hatte wahnsinnige angst euch zu verletzen, euch, die ihr hierbleiben müsst und - wie du es beschreibst - weiteratmen müsst mit all dem schmerz und all eurer trauer.

sie hat gekämpft, gehofft und gewartet - aber irgendwann musste sie dem gedanken an den tod einlass gewähren.
und es ist ihr so schwer gefallen...
wir sind nicht im guten auseinandergegangen, larissa und ich, aber wir hatten gute gespräche, bei denen sowohl gelacht, als auch geweint wurde.
und genau diese gespräche werde ich nie vergessen.
es ist ein schwacher trost, michaela, wenn überhaupt einer:
aber ich hatte das gefühl, dass larissa frieden geschlossen hat mit dem sterben, bevor sie gehen musste.
es gab am ende nur noch einen weg und den ist sie BEWUSST gegangen, denke ich.
nichts auf dieser welt wird dich verstehen lassen, warum ausgerechnet dein kind diesen weg gehen musste.
nichts auf dieser welt wird erklären können, weswegen ein junger mensch sterben muss.
und nichts auf dieser welt wird dir das trauern abnehmen können.
es tut unendlich weh, ist aber ebenso unendlich wichtig.
denn es zeigt, wie lieb du larissa hast.
und nur dadurch, durch deine trauer, wird ihr lachen niemals wirklich sterben können.
es wird immer präsent sein.

ich wünsche dir alle kraft, allen mut und alle unerstützung, die du brauchst, damit es weitergeht für dich.
und ich schicke ein paar sonnenstrahlen zu dir - denn die hat larissa sehr gemocht.

in gedanken, blacksheep
« Letzte Änderung: 23 August 2009, 19:55:55 von Wolke »
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Wolke

  • Gast
Re: 7jahre danach
« Antwort #14 am: 23 August 2009, 19:48:41 »

für mixery und michaela:

Als die glutrote Sonne am Horizont dem Tag langsam entschwinden wollte, ging eine kleine zerbrechlich wirkende Frau einen staubigen Feldweg entlang. Sie war wohl schon recht alt, doch ihr Gang war leicht und ihr Lächeln hatte den frischen Glanz eines unbekümmerten Mädchens.

Fast am Ende dieses Weges,
saß eine zusammengekauerte Gestalt, die regungslos auf den trockenen, ausgedörrten Sandboden hinunterstarrte.
Man konnte nicht viel erkennen, das Wesen das dort im Staub des Weges saß, schien beinahe körperlos zu sein.
Es erinnerte an eine graue aber weiche Flanelldecke mit menschlichen Konturen. Als die kleine zerbrechlich wirkende Frau an diesem Wesen vorbeikam, bückte sie sich ein wenig und fragte: "Wer bist du?"

Zwei fast regungslose Augen blickten müde auf.
"Ich? Ich bin die Traurigkeit." flüsterte die Stimme stockend und so leise, dass man sie kaum zu hören vermochte.

"Ach, die Traurigkeit !" rief die kleine Frau erfreut,
als würde sie eine alte Bekannte begrüßen.

"Du kennst mich?" fragte die Traurigkeit vorsichtig?
"Aber ja, natürlich kenne ich dich! Immer wieder einmal hast Du mich ein Stück meines Weges begleitet."

"Ja, aber ...", argwöhnte die Traurigkeit, "warum flüchtest du dann nicht und nimmst reiß aus? Hast du denn keine Angst vor mir ?"

"Warum sollte ich vor dir davonlaufen? Du weißt doch selbst nur zu gut, dass du jeden Flüchtigen einholst. Man kann dir nicht entkommen.
Aber, was ich dich fragen möchte:
Warum siehst du so betrübt und mutlos aus ?"

"Ich bin traurig", antwortete die graue Gestalt mit klangloser Stimme. Die kleine, alte Frau setzte sich zu ihr.

"Traurig bist Du also", sagte sie und nickte verständnisvoll mit dem Kopf. "Erzähl mir doch, was dich so sehr bedrückt."

Die Traurigkeit seufzte tief. Sollte ihr diesmal wirklich jemand zuhören? Wie oft hatte sie sich das schon gewünscht.

"Ach, weißt du", begann die Traurigkeit zögernd, "es ist so,
dass mich einfach niemand mag. Niemand will mich.
Dabei ist es doch nun mal meine Bestimmung unter die Menschen zu gehen und für eine gewisse Zeit bei ihnen zu verweilen. Aber jedesmal wenn ich zu ihnen komme, schrecken sie zurück. Sie fürchten sich vor mir und meiden mich."

Die Traurigkeit schluckte schwer.
"Sie haben Sätze erfunden, mit denen sie mich verstoßen wollen. Sie sagen: Ach was, das Leben ist heiter und fangen an zu Lachen.
Aber ihr falsches erzwungenes Lachen
führt zu Magenkrämpfen. Sie sagen: Gelobt sei, was hart macht.
Und dann bekommen sie Herzschmerzen.
Sie sagen: Man muss sich zusammenreißen. Und sie spüren das Reißen in den Schultern und im Rücken, im ganzen Körper. Verkrampft sind sie.
Sie drücken die Tränen tief hinunter und haben Atemnot. Sie sagen:
Nur Schwächlinge weinen. Dabei sprengen die aufgestauten Tränen fast ihre Köpfe. Manchmal können sie dadurch nicht mal mehr Sprechen. Oder aber sie betäuben sich mit Alkohol und Drogen, damit sie nicht fühlen müssen."

Die Traurigkeit sank noch ein wenig mehr in sich zusammen.
"Und dabei will ich den Menschen doch nichts Böses, ich will ihnen doch nur helfen. Denn wenn ich ganz nah bei ihnen bin, können sie sich selbst begegnen. Ich helfe ihnen ein Nest zu bauen, um ihre Wunden zu pflegen und zu heilen. Weißt du, wer traurig ist, hat eine besonders dünne Haut, und manches Leid bricht dadurch immer wieder auf, wie eine schlecht verheilte Wunde,
und das tut sehr weh.

Aber nur wer mich zu sich läßt und all die ungeweinten Tränen weint, kann seine Wunden erst wirklich heilen. Doch die Menschen wollen gar nicht, dass ich Ihnen dabei helfe. Statt dessen schminken sie sich ein grellen Lachen über ihre Narben. Oder sie legen sich einen dicken Panzer aus Bitterkeit und ewiger Enttäuschung zu. Ich glaube, sie haben einfach nur unbändige Angst zu weinen und mich zu spüren. Deshalb verjagen sie mich immer wieder."

Dann schwieg die Traurigkeit. Ihr Weinen war erst schwach,
dann stärker und schließlich ganz innig und verzweifelt
und die vielen kleinen Tränen tränkten den staubigen, ausgedörrten Sandboden. Die kleine, alte Frau nahm die zusammengesunkenen Gestalt tröstend in die Arme.
Wie weich und sanft sie sich anfühlt, dachte sie und streichelte das zitternde Bündel. "Weine nur, kleine Traurigkeit", flüsterte sie liebevoll, "ruh dich aus, damit du wieder Kraft sammeln kannst.
Du sollst nicht mehr alleine wandern. Ich werde auch dich von nun an begleiten, damit die Mutlosigkeit nicht noch mehr Macht gewinnt."

Die Traurigkeit hörte zu weinen auf.
Sie sah zu ihrer neuen Gefährtin auf und betrachtete sie erstaunt:
"Aber ... aber, wer bist du eigentlich ?"
"Ich ...", sagte die kleine und zerbrechlich wirkende Frau und lächelte dabei wieder so unbekümmert wie ein kleines Mädchen, " ... bin die Hoffnung!

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