Hi,
ok, sortieren wir mal.
- ja, ich kenne Buddhisten, eine Menge sogar, aus verschiedenen Traditionen
- ernster Widerspruch. Der Buddhismus(*1) ist _nicht_ mit anderen Religionen vergleichbar. Religionen liefern sozusagen ein komplettes Weltbild. Es wird ein allmächtiger Gott beschrieben, die Regeln, die dieser Gott herausgegeben hat und die man zu befolgen hat, um sein Wohlwollen zu erringen. Unter Umständen werden sogar die Riten vorgegeben, die man auszuführen hat, um Gott zu gefallen. Es wird mehr oder weniger beschrieben, wie dieser Gott die Welt, das Universum und überhaupt alles geschaffen hat.
Die buddhistische Lehre liefert so ein Weltbild nicht. Im Buddhismus gibt es keine Offenbarung eines allmächtigen Gottes. Der Buddha selbst ist kein Gott oder göttlich, er ist ein normaler Mensch, der sich gegenüber den anderen Menschen dadurch auszeichnet, daß er die verlorengegangene Lehre wiederentdeckt hat. Es gab vor ihm andere Buddhas und es wird nach ihm weitere geben. Der Buddha hat die Frage, woher die Welt komme, unbeantwortet gelassen. Seine Antwort auf diese Frage war sinngemäß, daß er alles dargelegt habe, was man wissen müsse, um seinen Weg zur Erleuchtung nachzugehen. Alle darüber hinausgehenden Fragen solle man unbeantwortet lassen, da ihre Beantwortung für den Weg zur Erleuchtung unerheblich sei.
Hier hast Du schon mal einen der wesentlichen Unterschiede zwischen den Religionen und der buddhistischen Lehre: die einen liefern eine vollständige Erklärung der Welt samt einem allmächtigen Schöpfergott, die andere beschreibt ausschließlich den Weg zur Erleuchtung.
(*1) Von "dem Buddhismus" zu sprechen ist eigentlich schon falsch. Die buddhistischen Traditionen unterscheiden sich zum Teil erheblich voneinander. Dieser Unterschied ist viel tiefgehender als zum Beispiel der zwischen katholischem und evangelischem Christentum. Doch wir können der Einfachheit halber weiter von "dem Buddhismus" reden, wobei wir bedenken müssen, daß wir stark verallgemeinern.
- Die Art der Meditation, über die wir hier sprechen, ist Vipassana- bzw. Samatha-Meditation. Ziel dieser Art der Meditation ist, wirklich zu erfahren, daß unser "Alltags-Ich" eine Illusion ist. Die Lehre zu lesen und intellektuell zu erfassen ist nur der halbe Weg. Erst das wirkliche Erleben wie das "Ich" sich auflöst und was dann ist, läßt uns wirklich verstehen - aber dieses Verstehen ist dann kein intellektueller Prozess mehr, sondern ein intuitives Erfahren. Das, was Du den "Nullpunkt" nanntest, ist das erlebte Schweigen des normalen Denkens. Bis dahin braucht man aber schon sehr viel Übung.
- Warum halte ich den Satz Bekanntlich entstehen nur dort Höllen, wo zwei Welten aufeinander treffen für völlig verkehrt, wenn nicht sogar kontraproduktiv? Ein spirituell suchender Mensch lebt in zwei Welten. Die eine ist der Alltag mit Job, Familie, Verpflichtungen. Die andere Welt ist die spirituelle Vorstellung, der Wunschtraum, wie auch immer wir es nennen wollen. Die Vorstellung, daß dort eine Hölle sei, wo die Welten aufeinandertreffen, bedeutet aber auch, daß eine zufriedenstellende Verbindung der Welten Spiritualität und Alltag nicht möglich ist. Ich weiß aber, daß es diese Verbindung gibt, auch wenn es in der Depression steckend kaum vorstellbar ist.
Das hat nicht einmal etwas mit Lebenserfahrung zu tun. Wenn man seinen spirituellen Weg gefunden hat und nicht nur intellektuell, sondern "aus tiefstem Herzen" weiß, daß dieser Weg genau richtig und passend ist, dann wird man diesen Weg auch mit seinem sehr unspirituellen Alltag verbinden können. Das wissen, daß die Verbindung möglich ist, verändert das Denken, unmerklich aber ständig, Tag für Tag, Stück um Stück. Geduld ist gefragt und üben ... üben ... üben
- Die Frage, was Mut sei, läßt sich meines Erachtens leicht beantworten. Mut heißt, sich dem Leben zu stellen, egal, was es jetzt gerade zu bieten hat - selbst in der tiefsten Depression. Selbstmord ist für mich keine Lösung, in keiner jetzt vorstellbaren Situation. Selbstmord bedeutet, vor dem wegzulaufen, was vor mir steht, eine Aufgabe nicht zu lösen. Und wenn mir mein Karma eine Aufgabe beschert und ich davor weglaufe indem ich mir selbst das Licht ausblase, dann werde ich diese Aufgabe in der nächsten Inkarnation erneut vor mir habe. Solange bis ich sie gelöst habe.
Grüße
det